28(2) - 2016

Gallego-Hernández, Daniel (Hrsg.). (2014). Traducción económica: entre profesión, formación y recursos documentales. Soria: Vertere

Compte rendu par Holger Siever

Der Band behandelt das Übersetzen wirtschaftlicher Texte in zwölf thematisch breit gefächerten Aufsätzen. Der Herausgeber Daniel Gallego-Hernández (Universidad de Alicante) bringt dabei zum ersten Mal in spanischer Sprache Dozierende verschiedener Universitäten zusammen, um die aktuellen An- und Herausforderungen zu beleuchten, denen sich Lehre, Forschung und Beruf im Bereich des Wirtschaftsübersetzens gemeinsam gegenübersehen. Die Autorinnen und Autoren des Bandes sind sowohl Dozierende als auch professionelle Übersetzerinnen und Übersetzer. Als Wirtschaftsübersetzen (traducción económica), das somit als Oberbegriff fungiert, gilt für die Zwecke dieses Bandes jede Übersetzung wirtschaftlicher, finanzieller, kommerzieller, werblicher und ähnlicher Texte.

Dieses enge Aufeinanderbezogensein der Dreiheit aus Lehre, Forschung und Berufspraxis bildet das Spezifikum des Bandes und gleichsam den roten Faden, der die verschiedenen Beiträge zusammenhält und zu einem umfassenden Blick auf das Thema Wirtschaftsübersetzen in Spanien vereinigt. Der vorliegende Band eignet sich daher gut als Einstieg in dieses Thema, über das man sich ansonsten nur in sehr verstreuten Quellen informieren könnte.

Der erste Beitrag von Miguel Tolosa-Igualada (Universidad de Alicante) befasst sich mit dem Zusammenspiel zwischen Beruf und Lehre und beschreibt eine Umfrage unter Übersetzern für das Sprachenpaar Englisch-Spanisch. Aus den Ergebnissen (u. a. welche Textsorten in der beruflichen Praxis am häufigsten übersetzt werden) versucht der Autor Schlussfolgerungen zu ziehen: zum einen für die Dozierenden, damit sie die Auswahl des im Unterricht verwendeten Textmaterials besser an die beruflichen Gegebenheiten anpassen können; und zum anderen für die Forschenden, um ein mehrsprachiges Forschungskorpus mit praxisrelevanten Wirtschaftstexten (Projekt COMENEGO) aufzubauen.

Aufgrund seiner einschlägigen Erfahrung schlägt der Wirtschaftsübersetzer Ángel Espinosa-Gadea in seinem Beitrag für die Ausbildung von Wirtschaftsübersetzern vor, sich auf die Übersetzung fachlich und sprachlich hochkomplexer Texte zu konzentrieren. Er favorisiert dabei Texte zu Investmentfonds, die sich dadurch auszeichnen, dass ihre thematisch vielschichtige Dokumentation und terminologische Dichte eine tiefgreifende und umfassende Auseinandersetzung mit dem Fachgebiet Wirtschaft und dem gesamten Spektrum des Wirtschaftsübersetzens erlauben. Anstatt den Studierenden mit „leichten“ Texten entgegenzukommen, plädiert der Autor dafür, sie mit „schwierigen“ Texten zu konfrontieren, wie sie tatsächlich in der Berufspraxis von Übersetzern vorkommen.

Der Beitrag von José Mateo-Martínez (Instituto Interuniversitario de Lenguas Modernas Aplicadas) entwirft zum einen ein Panorama der Ausbildung im Bereich des Übersetzens wirtschaftlicher Texte und analysiert kritisch dessen Stellung in den translatologischen Studiengängen in Spanien; zum anderen schlägt er einige methodologische Richtlinien für die Organisation und praktische Umsetzung einer holistischen Ausbildung von Wirtschaftsübersetzern vor. Die Unterrichtsplanung sollte sich seiner Meinung nach an den Erfordernissen der Berufspraxis und den Bedürfnissen der Studierenden orientieren. Zu diesem Zweck gliedert der Autor die Translationskompetenz in sechs Subkompetenzen: die kognitive, die sprachliche, die diskursiv-textuelle, die pragmatisch-kulturelle, die strategische und die instrumentelle Subkompetenz.

Hieran schließt Verónica Román-Mínguez (Universidad Autónoma de Madrid) in ihrem Beitrag direkt an und führt einige der von Mateo-Martínez vorgestellten methodologischen Richtlinien weiter aus. Als Wirtschaftsübersetzerin und Übersetzungsdozentin konzentriert sie sich dabei auf die Entwicklung einer berufstauglichen Translationskompetenz im Allgemeinen und bestimmter translatorischer Subkompetenzen im Besonderen. In den fachsprachlichen Übersetzungsübungen sollen sich die Lehrziele an den sechs vorgestellten Subkompetenzen (der dokumentellen, textuellen, terminologisch-phraseologischen, thematischen, enzyklopädischen und professionellen) orientieren. Das Thema translatorischer Subkompetenzen wird im Beitrag von Marie-Evelyne Le Poder (Universidad de Granada) weitergeführt, der im Wesentlichen die innovativen Lehrprojekte vorstellt, die die Autorin zwischen 2009 und 2012 an der Universität von Granada durchgeführt hat. Insbesondere hebt sie auf die Entwicklung zweier Subkompetenzen ab: einer thematischen und einer instrumentellen. Zur Stärkung der thematischen Subkompetenz schlägt sie die Zusammenarbeit mit anderen Dozierenden vor, wobei die konzeptuelle Verflechtung der in verschiedenen Übersetzungsübungen und Lehrveranstaltungen behandelten Texten den Studierenden vor Augen geführt werden soll. Die instrumentelle Subkompetenz kann eingeübt werden, indem ein Korpus aus Paralleltexten erstellt und terminologisch ausgewertet wird.

Der Beitrag von Chelo Vargas-Sierra (Universidad de Alicante) beschreibt, wie bei der Lokalisation von Webseiten wirtschaftlichen Inhalts das Lernumfeld so gestaltet werden kann, dass sich durch das soziale Miteinander und den erforderlichen Informationsaustausch während des Übersetzungsprozesses bei den Studierenden die in den vorangegangenen Beiträgen erwähnten translatorischen Subkompetenzen herausbilden können. Die theoretischen und methodologischen Grundlagen hierfür liefern das funktionale Übersetzen von Nord und der sozialkonstruktivistische Ansatz von Kiraly.

Pedro A. Fuertes-Olivera (Universidad de Valladolid) befasst sich in seinem Beitrag mit den Ressourcen für Übersetzer. Als Anhänger der funktionalen Lexikografie zeigt er am Beispiel eines Wörterbuchs zur Buchführung (Dänisch, Spanisch, Englisch) die Vorzüge internetbasierter Wörterbücher gegenüber traditionellen Wörterbüchern in Buchform auf. Die Hauptvorteile sieht er zum einen darin, dass solche internetbasierten funktionalen Wörterbücher (worunter er im Übrigen jede Art von terminologieerklärender Dokumentation versteht) sich in ständiger Weiterentwicklung befinden und eben nicht nach einer gewissen Zeit veralten und eine Neuauflage verlangen, und zum anderen darin, dass sie für die gesuchten Termini mehr fachspezifische Verwendungskontexte zur semantischen und stilistischen Disambiguierung aufweisen.

Auch der Beitrag von Francisca Suau-Jiménez (Universidad de Valencia) ist im weiteren Sinne den übersetzerischen Ressourcen gewidmet. Sie stellt eine Forschung vor, bei der das mehrsprachige Korpus COMENEGO genutzt wird, um metadiskursive Marker zu analysieren, die im Englischen bzw. Spanischen in apellativen Businesstexten einerseits und informativen Pressetexten andererseits verwendet werden. Dem Übersetzer soll ein Werkzeug zur Verfügung gestellt werden, mit dem er die unterschiedliche Häufigkeit metadiskursiver Marker in verschiedenen Textsorten und Sprachen erkennen und für seine übersetzerische Arbeit nutzen kann.

Christian Vicente (Université Nice Sophia Antipolis) befasst sich mit der Frage, wie Korpora für fachspezifische Phraseologien genutzt werden können. Er plädiert dafür, die von Studierenden übersetzten Texte zu Korpora zusammenzuführen, um zum einen die Übersetzungskompetenz der Studierenden in Bezug auf fachspezifische Phraseologien zu analysieren und zum anderen eine Liste typischer Übersetzungsfehler in diesem Bereich zu erstellen. Diese studentenspezifischen Übersetzungskorpora und deren Analyse können dann für eine gezielte Verbesserung der Translationskompetenz der beteiligten Studierenden herangezogen werden.

Der letzte Beitrag von Patricia Rodríguez-Inés (Universidad Autónoma de Barcelona) stellt das schon mehrfach erwähnte Forschungskorpus COMENEGO (Corpus Multilingüe de Economia y Negocios) vor. Dabei werden die Struktur des Korpus, die Kriterien der Textauswahl und vor allem die sieben Diskurskategorien erläutert, in die die wirtschaftlichen Texte des Korpus eingeteilt sind. Aussagekräftige Beispiele für die Nutzung von COMENEGO sind mehreren Beiträgen des Bandes zu entnehmen.

Fazit: Der vorgestellte Band dokumentiert bezogen auf das Thema Wirtschaftsübersetzen den Stand der Überlegungen in Spanien und zeigt insbesondere auf, in welcher Weise (a) die – vor allem korpuslinguistische – Forschung die universitäre Lehre unterstützen und (b) die universitäre Ausbildung noch stärker auf die berufspraktischen Erfordernisse hin ausgerichtet werden kann. Auch wenn sich die Beispiele nur auf das Sprachenpaar Englisch-Spanisch beziehen, können dem Band wertvolle Anregungen auch für die fachinterne Diskussion in anderen europäischen Ländern entnommen werden.

DOI 10.17462/para.2016.02.10

18 octobre 2016
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